Thurgau

Thurgau
Thur|gau, der; -[e]s:
Schweizer Kanton.

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Thurgau,
 
Kanton im Nordosten der Schweiz, 991 km2, (1999) 227 300 Einwohner (davon 18,9 % Ausländer); Hauptstadt ist Frauenfeld. Die überwiegend deutschsprachige Bevölkerung gehört fast zur Hälfte der reformierten Kirche und zu rd. 40 % der katholischen Kirche an. Der Thurgau umfasst die nordöstlichsten Teile des Schweizer Mittellandes an Bodensee und Hochrhein und gliedert sich (getrennt durch mehrere Senken) in den südlich des Bodensees gelegenen Molassehügelzug des Seerückens, das stark gekammerte thurgauische Hügelland und die Nagelfluhberge des nördlichen Tössberglandes.
 
 
Nach der Verfassung von 1987 (in Kraft seit 1. 1. 1990) liegt die Gesetzgebung beim 130 Mitglieder zählenden Großen Rat; Exekutivorgan ist der Regierungsrat mit fünf Mitgliedern. Beide Organe werden vom Volk auf vier Jahre gewählt; über ihre Abberufung ist eine Volksabstimmung durchzuführen, wenn 20 000 Stimmberechtigte dies verlangen. 4 000 Stimmberechtigte können eine Abstimmung über Erlass beziehungsweise Änderung oder Aufhebung von Verfassung und Gesetzen initiieren. Gesetze und Beschlüsse des Großen Rates unterliegen dem fakultativen Referendum (2 000 Stimmberechtigte), Finanzbeschlüsse über einmalige Ausgaben von mehr als 3 Mio. sfr dem obligatorischen Referendum. Die Zivilrechtspflege üben das Obergericht und die Bezirksgerichte (mit ihren jeweiligen Zweigen) sowie die Friedensrichter aus. Die Strafrechtspflege ist dem Kassations-, dem Kriminal- und dem Obergericht, den Bezirksgerichten, der Jugendanwaltschaft und den Bezirksämtern anvertraut.
 
 
Es zeigt im silberngrün schräg geteilten Schild je einen goldenen Löwen, die Wappenbilder der ehemaligen Grafen von Kyburg.
 
 
Die Schulpflicht beträgt neun Jahre. An die sechsjährige Primarschule schließen drei Jahre Realschule oder drei Jahre Sekundarschule als Voraussetzung für viele Berufsausbildungen und die Maturitätsschulen (vier Jahre) an. Lehrerseminar in Kreuzlingen (fünf Jahre im Anschluss an die Sekundarschule, eineinhalb nach der Maturität), Kindergärtnerinnenseminar, Seminar für Textilarbeit/Werken und Gestaltung; Handelsmittel- und Diplommittelschule; Berufsschulen; Berufsbildungsstätten für soziale Berufe.
 
 
Der Thurgau wird gemeinhin als »grüner Industrie-Kanton« ohne urbane Zentren charakterisiert. Die thurgauischen Regionen orientieren sich eher nach städtischen Mittelpunkten außerhalb des Kantons, u. a. der Oberthurgau nach Sankt Gallen, der Hinterthurgau nach Wil und Winterthur und einige Bodenseegemeinden nach Konstanz. Mit einem Volkseinkommen je Einwohner von (1995) 39 266 sfr liegt der Thurgau an 18. Stelle unter den 26 Kantonen (Schweiz 45 276 sfr). In der Landwirtschaft, in der (1995) 11 % der Erwerbstätigen beschäftigt sind, dominiert die Viehhaltung; rd. 66 % der insgesamt 54 350 ha umfassenden landwirtschaftlichen Nutzfläche werden futterbaulich genutzt, rd. 34 % sind Ackerland. Dem Anbau v. a. von Getreide und Hackfrüchten stehen 14 125 ha zur Verfügung. Das thurgauische Bodenseeufer ist neben dem Wallis das wichtigste schweizerische Obstbaugebiet (1 799 ha); in günstigen Lagen wird auch Weinbau (254 ha) betrieben.
 
Trotz fehlender urbaner Zentren ist der Thurgau ein stark industrialisierter Kanton, der über ausreichende Industriebaulandreserven verfügt. Im von Klein- und Mittelbetrieben geprägten sekundären Sektor sind (1995) 41 % der Beschäftigten tätig; damit liegt der Kanton weit über dem schweizerischen Mittel von 30 %. An Industriebranchen finden sich neben der aus der Heimweberei hervorgegangenen Textil- und Stickereiindustrie v. a. Metallverarbeitung, Maschinen- (u. a. Nähmaschinen) und Fahrzeugbau, Holz-, Nahrungsmittel- und chemische Industrie. Neben der Kantonhauptstadt Frauenfeld sind Industrieunternehmen v. a. in Kreuzlingen, Aadorf, Sirnach, Münchwilen angesiedelt. Der Dienstleistungssektor liegt mit (1995) 48 % der Beschäftigten deutlich unter dem schweizerischen Durchschnitt (64 %); dies deutet auf die Strukturschwäche der thurgauischen Wirtschaft hin. Der Fremdenverkehr ist nur in den Bodenseegemeinden von Bedeutung; die Anzahl der Übernachtungen belief sich (1996) auf 267 300. Kreuzlingen und Romanshorn (Fähre nach Friedrichshafen) sind wichtige Grenzstationen und Verkehrsknotenpunkte.
 
 
In das seit der Steinzeit besiedelte Gebiet des Thurgaus drangen seit 400 v. Chr. die Helvetier ein, die 58 v. Chr. von den Römern unterworfen wurden. 455 n. Chr. unterwarfen die Alemannen das Gebiet, das um 700 christianisiert wurde und im 8. Jahrhundert einen Gau des Fränkischen Reiches bildete, begrenzt von Aare, Reuss, der Walenseefurche, Rhein und Bodensee. 861 wurde der westliche Teil als Zürichgau abgetrennt, weitere, kleinere Teile fielen an die aufstrebenden Klöster Sankt Gallen, Rheinau und Reichenau sowie das Hochstift Konstanz. Der übrige Thurgau entwickelte sich zur Landgrafschaft unter den Kyburgern (1094), seit 1264 unter den sie beerbenden Habsburgern, und unterstand dem Landgericht von Konstanz. 1460 eroberten die Eidgenossen den Thurgau und ließen ihn vom Landvogt der Acht Alten Orte als Untertanengebiet (Gemeine Herrschaft) verwalten. Die Reformation, die besonders von Zürich her vordrang, setzte sich bis 1529 im Thurgau durch, doch beseitigte der 2. Kappler Friede 1531 die reformierte Kirchengesetzgebung, worauf eine Rekatholisierung um sich griff. Nach der Freilassungserklärung durch die eidgenössische Tagsatzung (3. 3. 1798 war der Thurgau 1798-1803 Kanton der Helvetischen Republik und wurde durch die Mediationsakte (1803) eigenständiger Kanton. 1814 gab sich der Thurgau eine neue Verfassung, die noch mehrmals geändert (u. a. 1831 Einführung liberaler Grundsätze; 1869 Totalrevision) und 1987 durch eine neue ersetzt wurde (Reorganisation der Verwaltung bis 2000 vorgesehen).
 
 
E. Herdi: Gesch. des T.s (Frauenfeld 1943);
 E. Leisi: Chronik des Kantons T. (Luzern 1950);
 
T. gestern, heute, morgen, hg. v. M. Vischer (Frauenfeld 1966);
 
Gesch. des Kantons T., Beitrr. v. A. Schoop, 4 Bde. (ebd. 1987-94);
 D. Berke u. H. Ruprecht: T. Aus dem Flugzeug betrachtet (ebd. 1989).
 

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Thur|gau, der; -s: Schweizer Kanton.

Universal-Lexikon. 2012.

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